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Start Bücher Geschichte(n) der Medizin Sieben Jahre Russland - Vorwort des Autors

Sieben Jahre Russland - Vorwort des Autors

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Sieben Jahre Russland
Das Buch
Der Autor: Kuno Eugen Wahl
Vorwort des Autors
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Vorwort des Autors
Ich meine, nichts Besonderes erlebt zu haben. Tausende von Ärzten haben im letzten Krieg dieselbe Arbeit getan, viele versuchten in den Lagern der Sowjet-Union die Leiden ihrer Kameraden zu lindern. Manche haben Schweres durchstehen müssen - man denke nur an den plötzlichen Kälteeinbruch vor Moskau im Winter 1941-42 oder an die Hölle von Stalingrad - es gibt deshalb keinen Grund mit den geschilderten Erlebnissen eitel zu sein.

Die Aufzeichnungen wurden zunächst als echtes Tagebuch geschrieben und der Teil vor der Gefangennahme kam auch vollständig nach Hause. In den fünfeinhalb Jahren, die ich in russischer Kriegsgefangenschaft verbrachte, gelang es mir frühzeitig einen kleinen Taschenkalender zu ergattern, in welchem ich in winziger Schrift vieles fest hielt. Es glückte, dieses Büchlein bis zu den letzten Monaten der Gefangenschaft (Ende 1949) durch alle Kontrollen zu schmuggeln. Als jedoch die Heimkehr endlich Wirklichkeit zu werden schien, las ich alles mehrfach wieder und prägte es fest ins Gedächtnis. Sodann vernichtete ich das kleine, defekt und schmutzig gewordene Bändchen mit Feuer. Es war viel zu gefährlich, etwas Schriftliches mitzunehmen.

Zu Hause wurde bald alles frisch aus der Erinnerung aufgezeichnet. Da dies ursprünglich nur der eigenen Rückschau dienen sollte, blieben die Blätter lange liegen. Jeder schreibt aus der Sphäre heraus, in welcher er die Dinge erlebt und jeder sieht die Vorkommnisse durch die eigene Brille. Diese „déformation professionelle“ bedingt eine Einseitigkeit und, da die ärztliche Denkweise mehr realistisch ist, eine gewisse Sachlichkeit. Im persönlichen Tagebuch hält man nicht das Alltägliche fest, sondern das, was in irgend einer Weise bemerkenswert. Man wartet, bis die ruhige Stunde kommt, die dies zuläßt. Dabei knüpfen sich an vieles, was wir erleben, manchmal ganz andere Gedanken und das assoziative Denken nimmt das Geschehene zum Anlaß, nicht nur zu registrieren, sondern über die Vorkommnisse nachzudenken.

Namen sind entweder nicht genannt, oder geändert. Fachausdrücke aus dem Original verdeutscht. Die Ortschaften können anhand einer Karte verfolgt werden. Die Zeitangaben stimmen nicht auf den Tag exakt. Im Kriege weiß man nur einige wichtige Daten, in Gefangenschaft ist es besser, die Tage nicht so genau zu zählen. Ein Bericht, der ins Reine geschrieben wird, fällt ganz anders aus, wenn die politische Situation sich geändert hat. Der Schreiber sieht vieles in anderem, oft völlig entgegengesetztem Lichte. Trotzdem wurde die ursprüngliche Form gewahrt und nur Bemerkungen, die aus heutiger Sicht, nach über dreißig Jahren, nötig erschienen in kursiver Schrift angefügt.

Der Autor ist kein Schriftsteller und so mag dieses Buch manchen Mangel aufweisen, der einer geübten Feder nicht unterläuft. Er möchte als erzählender Chronist verstanden werden und es dem Leser selbst überlassen, sich über das Mitgeteilte eigene Gedanken zu machen.

Kuno Eugen Wahl, 1980